Unter schattigen Bäumen – Ein Plädoyer für das »Milchhäusla«
22. September 2014 | von Kamran Salimi | Kategorie: Allgemein
Warum war ich nicht schon viel früher mal hier zu einem Feierabendbier?! Die großen alten Bäume der Konrad-Adenauer-Anlage spenden Schatten. Gnädig verbergen Stämme und Blätter das Elend am anderen Ende des Parks, wo Baucontainer für die sogenannte Neue Mitte die Brunnenanlage zum Schweigen gebracht haben.
Es ist vielleicht einer der letzten schönen Abende dieses sonnenarmen Sommers. Wir haben uns am Milchhäusla verabredet. Der Anlass ist unsere Sorge um die Zukunft dieser Fürther Institution. Noch vor dem Artikel von Volker Dittmar in den FN hatten wir von der drohenden Kündigung für Frau Lottes erfahren und spontan beschlossen, bei einem Solidaritätsbier Informationen aus erster Hand einzuholen.
Frau Lottes arbeitet seit 1983 im Milchhäusla
Zunächst als Angestellte für den damaligen Pächter Manfred Roth, bevor sie dann 1992 den Sandsteinpavillon selbst übernahm. Der jeweils halbjährliche Vertrag mit der Stadt verlängerte sich von Jahr zu Jahr quasi automatisch. Doch schon im März kommenden Jahres könnte alles zu Ende sein, denn die Stadt denkt an eine Neuausschreibung. Lottes dürfte sich dann zwar bewerben, doch sie ahnt, dass sie chancenlos wäre. Die heute 59-Jährige stünde vor dem Nichts. Auf dem Arbeitsmarkt wartet niemand auf sie. Hartz IV droht.
Warum? Auf die entscheidende Frage weiß die patente Frau, die seit über 30 Jahren den Laden schmeißt, keine Antwort. Ihre Kundschaft steht hinter ihr. Lottes hat viele Stammgäste. Sie kommen aus der ganzen Stadt in diese Oase. Manche waren schon als Kinder da. Haben in der Anlage gespielt und sich am Kiosk mit Süßigkeiten versorgt. Plötzlich steht ein kleines Mädchen neben mir und macht artig auf sich aufmerksam, da es etwas kaufen will. „Oadli!“, sagt Frau Lottes und lässt uns für einen Moment allein.
Als sie an unseren Tisch zurückkommt, suchen wir gemeinsam nach den Gründen, warum sie gekündigt werden soll. »Gschwartl«, wie manche in der Stadt offenbar zu glauben scheinen, verkehre bei ihr nicht. Wer auch immer das sein solle, denn selbst diejenigen, die auf den Parkbänken nebenan ihr Dosenbier aus dem Discounter tränken, störten doch im Grunde niemanden. Überdies blieben jene unter sich, denn die Bierpreise im Milchhäusla seien ihnen zu hoch, wie Frau Lottes meint.
Viele der 24 Sitzplätze, die das Milchhäusla zu bieten hat, sind an diesem Abend besetzt. Eine junge Frau kommt hinzu. Sie klopft an unserem Tisch. Wo findet man solche Umgangsformen heute noch?! Berührungsängste vor dem Milchhäusla sind völlig fehl am Platz. Ein guter Ort, der in Frau Lottes seine Seele hat. Und die Bratwurstsülze schmeckt auch.
Mit Schickimicki hat hier freilich niemand was am Hut
Frau Lottes hat eine Unterschriftenliste ausgelegt – gegen den „Schnabuliermarkt“ und für den Erhalt ihres Milchhäuslas. Wir unterschreiben alle. Denn da gibt es gewiss einen Zusammenhang. Die Stadt versucht auf Teufel komm raus ihr Kleine-Leute-Image loszuwerden. Zwischen der zukünftigen „Neuen Mitte“ und dem „Hornschuch-Center“ findet das Milchhäusla mit seinem Klientel keinen Platz mehr. Oder besser gesagt, es passt nicht mehr ins Bild. Auch ein Effekt der Gentrifizierung.
Nachdenklich trete ich den Heimweg an. Warum um Himmels Willen begreifen in Fürth so wenige Menschen, dass sich die Stadt gerade dadurch klein macht, dass sie groß sein will? Doch eine andere Frage bewegt mich noch viel mehr: Warum darf Frau Lottes nicht so lange bleiben, bis sie in Rente geht? 6 Jahre sind das nur noch. Und ich erinnere mich an einen Fürther Kulturreferenten, der gegen den Willen des Oberbürgermeisters in seinem Amt bestätigt wurde, damit er Rente beziehen konnte.
Thomas Heyden für „Wir sind Fürth e. V.“
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